Was ist eine Arbeitskennkarte?

Kurz gesagt, ein Stück Papier – ein Papier welches unglaubliche Geschichten erzählen kann.

Geschätzt 3.500-5.000 Menschen wurden während des Krieges in den Landkreis Erding deportiert und vorwiegend bei den Bauernhöfen oder Betrieben „einquartiert“, wo sie auch arbeiten mussten. Kriegsgefangene hatten wesentlich mehr Rechte und fallen nicht unter dieser Zahl. Ihre Geschichten sind weitgehend in Vergessenheit geraten, auch wenn sie jahrelang hier gearbeitet, gelitten und oftmals auch hier verstorben sind.

Welche Informationen gibt das Abtippen einer solchen Karte her?

Links findet sich die biographische Angaben dieser Person (oftmals mit Fehlern)
Rechts befindet sich die polizeiliche Funktion dieser Karten, zur Kontrolle und Überwachung der Verschleppten
Lediglich mit der Unterschrift gibt es manchmal ein Anzeichen, dass die Personen auch an der Entstehung der Karten beteiligt waren

Solche biographische Angaben helfen ein „kleines“ Bild des Unrecht zu rekonstruieren, welches hier in Erding stattgefunden hat und tausende Bauern und Unternehmer des Landkreises zu Profiteure der nationalsozialistischen Diktatur gemacht hat – ganz gleich ob sie der Ideologie freundlich oder feindlich eingestellt waren.

Nutznießer wider Willens?

Die Rückseite gibt Aufschluss darüber, wer wie lange und bei welchen Arbeitgeber gearbeitet hat

 

Die Rückseite, die wir auch abtippen sagt aus, wer bereit war auf ausländische ArbeiterInnen zu setzen. Die arbeitsfähigen Männer wurden eingezogenden und man versprach sich von der Verschleppung den Arbeitskräftemangel billig ausgleichen zu können. Dabei konnten sich die einzelnen Bauern oder Unternehmen direkt beim Ortsbauernführer melden, beim zuständigen Arbeitsamt Erding-Freising oder direkt beim Stalag in Moosburg.

Welche Informationen gibt das Abtippen einer solchen Karte her?

Es geht letztlich um eine wissenschaftliche Erforschung eines weniger ruhmreichen Kapitels Erdinger Geschichte, das bislang kaum Beachtung gefunden hat. Damit steht Erding nicht allein dar, da in den letzten Jahren dutzende online-Initiativen zur Aufarbeitung dieser Verbrechen gegründet wurden, auch vom Bund unterstützt wie hier.

Die Datenbank im Aufbau
Eine erste Visualisierung aller ZwangsarbeiterInnen, die mit B beginnen (OSM)

Die Zielsetzung

1) Damit sich die betroffenen Menschen und die Nachkommen mit Ihrer Familiengeschichte auseinandersetzen können, ganz gleich ob im Erdinger Landkreis oder aus dem Ausland

2) So erlaubt diese Datenbank die Rolle der Zwangsarbeit für die lokale Wirtschaft endlich sichtbar zu machen

 

Ist das alles was man herausfinden kann?

Die erste Anlaufstelle für eine Online-Suche über ZwangsarbeiterInnen

Ja und Nein

Tatsächlich sind diese Informationen oftmals alles was wir über manche Zwangsarbeiterinnen wissen. Doch es gibt Online-Archive, wie die Aarolsen Archives, die ihre Dokumente zu Millionen Zwangsarbeiterinnen digitalisiert haben. Wenn wir den Namen aus der obigen Arbeitskarte „Butjanowa Agripina“ eingeben, so finden wir heraus, dass im April 1948 das Arbeitsamt Erding den Alliierten Behörden eine Liste mit ihren Namen gab. Manchmal ist es nicht viel, was man herausfindet, ein anderes Mal kann man den gesamten Lebensweg eines Deportierten nach dem Krieg nachverfolgen. Diese Datenbank lediglich stellt die Grundlage einer tieferen Auseinandersetzung dar.

Stimmen der Kritik

Während die Resonanz äußerst positiv war und wir von dutzenden von Stellen und Menschen unterstützung erfahren haben, so finden wir es wichtig in Zeiten von „Hate-Speech“ und „Shitstorms„, auch jene zu Wort kommen zu lassen, die das Projekt im Internet kritisiert haben. Denn bereits aus diesen Kommentaren, 75 Jahre nach Kriegsende, zeigt sich, dass solches Engagement noch lange keine Selbstverständlichkeit darstellt. 

 

„So einen Scheiß“, „Brauchen wir unbedingt…“, „wen interessiert der Schmarrn“

Facebook-Posts in der Gruppe „Historisches Erding“ über das Projekt 11.11.2019