Ein Erdinger Schmähgedicht und die US Besatzung

vorgetragen von Albert Sigl

Neue Begegnungen und alte Feindbilder nach dem Krieg

Unmittelbar nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurden tausende US-Truppen auf das Gelände auf und um den Fliegerhorst Erding einquartiert. Wie der unbekannte Verfasser des Gedichts anmerkt, so bedeutete die Ankunft der US-Armee als Sieger auch, dass die eigene Mannhaftigkeit in Frage gestellt wurde. Nach dem Krieg schienen die Neuankömmlinge alles zu haben, wovon die meisten nur träumen konnten:  das Essen, das Geld, die Filme und auch die neueste Musik.

Das folgende Gedicht befindet sich heute im Pfarrarchiv Erding, doch wir wissen nicht, wann und wer es gechrieben hat. Beim Anhören stellt man schnell fest, dass der Verfasser ein Mann vom Fach war und dass der Text wahrscheinlich erst Monate oder gar Jahre nach dem Eintreffen der US-Truppen geschrieben wurde.

Zum Abspielen der Aufnahme klicken Sie bitte einmal auf die jeweilige Strophe

An unsere Boarischen Madeln

Bohnenkaffee und Marmelade, Zigarette – Schokolade und a bisserl was zum Kauen, gibt es, kann man lieblich schauen in die Augen hie und da derer von Amerika!
Junge Mädchen sieht man flirten, welche sich mit Unschuld zierten, wenn ein Bursche jung und nett, nahte sich als Gschpusi keck.
Oh, wie wird da spröd die Schöne, spuckend weiß Gott was für Töne, wenn ein Jüngling vom Lande knüpfen wollt der Liebe Bande.
Jetzt der Krieg hat über Nacht Uns den Feind in’s Land gebracht. Und in unserem schönen Bayern Tun die Amis feste feiern.
Ja ihr Mädchen jung und alt, denkt ihr nicht, daß mit Gewalt schmähet ihr der großen Taten uns’rer gefallenen Soldaten, und die noch in Gefangenschaft opfern ihrer Jugend Kraft.
Wenn ihr wirklich wollt poussieren Tut euch boarisch int’ressieren. Sonst kann sein, daß ohne Frag‘ Einmal kommt der große Tag, der zu spät bringt euch Erwachen, dann habt ihr nichts mehr zu lachen. Niemand wird euch Gunst erweisen Und ihr werdet altes Eisen.

Der unbekannte Autor hatte wohl selbst einige Abweisungen miterlebt und konnte vielleicht angesichts seiner eigenen Ohnmacht nicht anders, als „pädagogisch“ aufzutreten. Er brachte seine gesamte Überzeugungskunst, bestehend aus Drohung und ins gewissen Reden, zu Papier, damit die Mädchen keinem US-Soldaten (vielleicht sogar einem Schwarzen!) folgen würden. Es dauerte noch viele Jahre, aber das Verhältnis zwischer Erdinger und der Fliegerhorstbesatzung verbesserte sich stetig.